Gerechtigkeit, Friede und
Bewahrung der Schöpfung

Texte


 
 

GATS, die schöne neue Welt der Dienstleistungen

 


Warum Universitäten keine Kühlschränke sind

GATS (General Agreement on Trade in Services) - nicht viele haben diese Abkürzung schon mal gehört und die wenigsten wissen, welche Idee sich hinter diesen vier unscheinbaren Buchstaben verbirgt. Und doch ist das GATS wohl eines der wichtigsten internationalen Abkommen, das wie kaum ein anderes unseren Alltag verändern wird. Sein Ziel ist die vollständige Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen. Was das bedeutet und warum Universitäten nicht wie Kühlschränke behandelt werden dürfen, steht in diesem Artikel.

Rückblick

Am 15. April 1994, nach 8 Jahren zäher Verhandlungen, einigten sich die Unterzeichnerstaaten des GATT in Marrakesch auf eine Abschlusserklärung. Diese Erklärung beendete die sogenannte Uruguay-Runde und veränderte die Strukturen der Welthandelspolitik grundlegend. Gab es bis dahin nur das GATT, einen Vertrag, mit dem in mehreren Verhandlungsrunden Zölle und Handelsbeschränkungen für Waren abgebaut wurden, so entstand nun die WTO . Die WTO ist nicht mehr nur ein Vertrag, sie ist eine Organisation mit festem Sitz in Genf, durch ein eigenes Streitschlichtungsverfahren sehr schlagkräftig und mit einem Aufgabenbereich, der weit über den Handel mit Waren hinausgeht. Einer dieser neuen Bereiche ist der Handel mit Dienstleistungen, und so trat am 1. Januar 1995, gleichzeitig mit der WTO-Gründung, das GATS in Kraft.

Dieses Abkommen umfasst grundsätzlich alle Dienstleistungen, von Versicherungen und Energieversorgung über Verkehr und Wasserversorgung bis hin zum Bildungs- und Gesundheitswesen.

Der Dienstleistungssektor hat die höchsten Wachstumsraten und erwirtschaftet inzwischen 60% des globalen Bruttosozialprodukts, allerdings machen Dienstleistungen nur 20% des Welthandels aus. Dies zeigt, was für ein Potential durch weitere Liberalisierungen freigesetzt werden würde. Jährlich werden weltweit 1 Billion US$ für Wasserversorgung, 2 Billionen US$ für die Gesundheitsversorgung und 3,5 Billionen US$ für das Gesundheitswesen ausgegeben. Bisher ist der größte Teil dieser Dienstleistungen öffentlich organisiert und damit nicht auf Profitmaximierung ausgerichtet.

Prinzipien des GATS

Genauso wie in den anderen WTO-Verträgen ist das Ziel des GATS eindeutig definiert: Der Handel mit Dienstleistungen soll weltweit liberalisiert und handelsbehindernde Regulierungen abgebaut werden. Nachhaltige Entwicklung, Umwelt- und Sozialstandards spielen im GATS keine Rolle. Der WTO geht es lediglich um uneingeschränktes Wachstum des Dienstleistungshandels und nicht um die Frage, wie dieser zum Wohle der Menschen und der Umwelt gestaltet werden kann.

Das Abkommen stützt sich auf dieselben Grundprinzipien, die für den Handel mit Waren festgelegt wurden (GATT):

Marktzugang: Sogenannte Handelshemmnisse (wie zum Beispiel Mengenbeschränkungen für Importgüter) sollen beseitigt und der einheimische Markt soll ausländischen Anbietern geöffnet werden. Die Inländerbehandlung fordert, dass Regierungen ausländische Dienstleistungserbringer in gleicher Weise behandeln müssen wie einheimische; das heißt, dass sie die inländischen Dienstleistungserbringer nicht bevorzugen dürfen. Die Meistbegünstigung besagt, dass ein Land den Dienstleistungserbringer eines anderen Landes nicht schlechter als alle anderen behandeln darf.

Anders als beim Handel mit Waren können die Länder jedoch bisher selber festlegen, welche Bereiche sie den GATS-Regeln unterstellen. Hat ein Land jedoch einmal eine feste Zusage für die Öffnung eines Sektors gemacht, ist es faktisch unmöglich, diese rückgängig zu machen. Die zu zahlenden Entschädigungen würden jeden Haushalt sprengen. Auch Ausnahmen von der Meistbegünstigung können bisher speziell aufgelistet werden. Sie dürfen aber nicht länger als 10 Jahre angewandt und müssen nach 5 Jahren überprüft werden.
Wer jetzt aber denkt: "Na wenn das so ist, dann ist ja alles in Ordnung, die Länder können alles selber festlegen, nichts zwingt sie, ihre Märkte zu öffnen", der oder die liegt falsch.

Die oben genannte Regelungen sind von 1995, sie stammen also aus der ersten Fassung des GATS-Vertrages. Dort ist allerdings auch ein Fahrplan für die weiteren Verhandlungen angegeben. Demnach sollen nach spätestens 5 Jahren alle Regelungen überprüft werden und eine neue Liberalisierungsrunde beginnen. Durch das Scheitern der WTO-Konferenz in Seattle (1999) hat sich dies zwar etwas verzögert, doch wurde im März 2001 und auf der Ministerkonferenz in Doha (November 2001), eine neue Runde beschlossen. Bis zum Jahre 2003 wird nun an der Überarbeitung gefeilt. Kritische Stimmen, die forderten man solle erst einmal auswerten, was die bisherige Liberalisierungspolitik gebracht habe, konnten sich nicht durchsetzen.

Die nächsten Schritte

Diese Verhandlungen wollen die Industrieländer dazu nutzen, das GATS auszudehnen. Nach ihrem Willen sollen die positiven Listen (die freiwillige Wahl, welche Sektoren die Regierungen zu öffnen gewillt sind) nochmals verhandelt und wenn möglich abgeschafft werden. Das würde bedeuten, dass alle Länder automatisch in allen Bereichen den GATS-Regeln unterstehen. Ein weiteres Ziel ist, die Inländerbehandlung und die Meistbegünstigung durchgehend einzuführen und Ausnahmen davon zu unterbinden. Staatliche Regulierungen, die von der WTO hauptsächlich als Handelshemmnisse wahrgenommen werden, sollen weiter abgebaut werden.

Konzentrierte sich das GATS bisher auf Sektoren, die hauptsächlich in privater Hand sind, so geht es nun vermehrt auch um vorwiegend staatlich geleistete Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung. Auch das öffentliche Beschaffungswesen soll integriert werden (Kauf von Dienstleistungen und die Anstellung von Personal im öffentlichen Sektor). Damit verkleinert sich der Spielraum von Regierungen, Regierungsaufträge an bestimmte Bedingungen wie zum Beispiel die Bevorzugung lokaler Firmen, die Einhaltung von Menschenrechten oder Umweltschutzgesetzen zu knüpfen.

Eine Menge spricht dafür, dass sich die Industrieländer mit diesen Forderungen durchsetzen werden. Schon die Verabschiedung des GATS in der jetzigen Form wurde gegen den Willen vieler anderer Länder durchgesetzt. So werden Zugeständnisse in anderen Bereichen der WTO, wie der Landwirtschaft oder der Medikamentenpatentierung nur gegen Zustimmungen im Dienstleistungsbereich gemacht. Oft werden "ärmere" Länder jedoch auch mit ihrer Abhängigkeit von Entwicklungshilfe, Krediten oder Schuldenerlassen erpresst. Dass die Industrieländer schon jetzt große Konzessionen erreichen, zeigen die Aufnahmeverhandlungen für neue WTO-Mitglieder. Von einem Land, das aufgenommen werden will, verlangen sie von vornherein die Öffnung von bedeutenden Bereichen. So konnte China beispielsweise erst der WTO beitreten, als es zustimmte, den Versicherungsmarkt zu öffnen. Ein Milliardengeschäft für die großen Versicherungskonzerne.

Konkrete Auswirkungen des GATS

Wird ein Dienstleistungssektor dem GATS unterstellt, so beginnt in diesem Bereich der Wettbewerb unter den verschieden Anbietern. Das Prinzip der Marktöffnung sorgt dafür, dass jedes Unternehmen unbeschränkt seine Dienstleistungen auf den Markt bringen und Tochterunternehmen oder Filialen in anderen Ländern gründen kann. Das Prinzip der Inländerbehandlung sorgt dafür, dass keiner der Wettbewerber bevorzugt oder benachteiligt werden darf. Staatliche Zuschüsse sind dann nur noch möglich, wenn sie jeder Anbieter bekommt, egal ob transnationaler Konzern oder inländischer Kleinanbieter. Auch staatliche Anbieter, z.B. Unis oder kommunale Wasserversorger können nicht damit rechnen, auf Dauer weiterhin besonders bezuschusst zu werden. Der Konkurrenzdruck sorgt dafür, dass alle Anbieter versuchen müssen ihre Kosten zu senken, um im Wettbewerb zu bestehen. Dies geschieht durch Rationalisierungen, durch die Aufgabe unrentabler Bereiche, durch die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen und durch den Abbau von Leistungen.
Sind Dienstleistungen Waren?

Die WTO macht keinen großen Unterscheid zwischen einer Dienstleistung und einer Ware. Aus diesem Grund unterliegt der Handel mit beidem auch den gleichen Prinzipien. Doch ist diese Gleichsetzung überhaupt richtig? Kann man den Verkauf von Kühlschränken so ohne weiteres mit dem Verkauf von Dienstleistungen vergleichen? Für die WTO ist der Fall klar: So wie ein besserer Kühlschrank teurer ist als ein einfacher , so sollte doch auch eine bessere Dienstleistung teurer sein. Ein Expressbrief ist teurer als ein normaler, wer eine bessere Krankenversorgung will, der muss halt mehr zahlen, und für eine gute Bildung muss man eben mehr Geld aufbringen. Dies ist die Logik der WTO. Diese Logik ist einfach, denn sie lässt einen der wichtigsten Aspekte von Dienstleistungen unberücksichtigt: das Solidarprinzip. Dieses Prinzip sorgt für einen Ausgleich zwischen unterschiedlich rentablen Bereichen. So werden beispielsweise die teurere Postzustellung oder die aufwändigere Stromversorgung auf dem Land durch die kostengünstigere Versorgung in Städten mitfinanziert und die Kosten für geringgenutzte Bahnstrecken werden durch stark frequentierte ausgeglichen. Das Solidarprinzip sorgt aber für Chancengleichheit in der Bildung und für einen gleichen Anspruch auf Gesundheitsversorgung, unabhängig von den eigenen finanziellen Möglichkeiten. Gute Bildung ist eben keine Ware, sondern ein Recht, und Krankheit ist nicht ein individuelles Versagen, sondern ein soziales Problem. Dienstleistungen sind also auch dazu da, einen Ausgleich in der Gesellschaft zu schaffen. Diese Prinzipien stehen schon seit längerem unter Beschuss, die Einführung des GATS würde sie nur endgültig aushöhlen. Das Abkommen ignoriert diese sozialen Aspekte vollkommen, doch sind gerade sie grundlegend in einer Welt, in der Menschen solidarisch miteinander und nicht gegeneinander leben.

Auswirkungen auf "ärmere" Länder

Das GATS wurde maßgeblich von Industrieländern eingesetzt. In diesen Ländern sitzen die Hauptgewinner des Abkommens, alle großen Dienstleistungskonzerne habe hier ihren Sitz. Die meisten südlichen Länder haben im Gegensatz dazu einen sehr schwachen Dienstleistungssektor. Sie haben in diesem Bereich entsprechend wenig zu handeln, müssen sich aber verpflichten, ihre Märkte zu öffnen.
Die transnationalen Konzerne des Nordens haben allein schon durch ihre Größe eine viel stärkere Marktposition als lokale Unternehmen. Indem ganze Märke überschwemmt werden, ist es für Länder des Südens fast unmöglich, eine eigene Dienstleistungsversorgung aufzubauen.

Unter das GATS fällt auch die Grenzüberschreitung von natürlichen Personen zur Erbringung von Dienstleistungen. Faktisch gilt dies jedoch nur für hochqualifizierte Arbeitskräfte. In den meisten ärmeren Ländern ist der größte Anteil der Arbeitskräfte in unqualifizierten Berufen beschäftigt. Die Forderung der Entwicklungsländer, auch diesen Bereich zu liberalisieren wird von den Industriestaaten abgelehnt, da sie dafür ihre restriktiven Ausländer- und Einwanderungsgesetze lockern müssten.
Das GATS ist ein Vertrag der Industrieländer. Mit ihm wird sich die Nord-Süd-Kluft vertiefen.

Die Tatsache, dass ein Abkommen mit so weitreichenden Folgen wie das GATS, weitgehend unbekannt ist, ist kein Zufall. Eine Debatte in der Öffentlichkeit wird bewusst vermieden. Die Verhandlungen bestehen hauptsächlich aus Hinterzimmergesprächen. Eine Debatte darüber, wie Dienstleistungen zum Wohl aller Menschen und zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können, gibt es in der WTO nicht. Die WTO hat ein Ziel: die vollständige Liberalisierung des Handels. Wer sich jedoch anschaut, wohin die fortschreitende Liberalisierung in den letzten Jahrzehnten geführt hat, kennt die Folgen dieser Politik. Die aggressive Expansion des Welthandels in der derzeitigen Form führt zu unumkehrbaren Belastungen für die Umwelt und so schnell wie nie zuvor vergrößert sich die Kluft zwischen Arm und Reich, sowohl innerhalb als auch zwischen den Ländern.

Eine andere Welt ist möglich.
Sie wird dringend benötigt.

David Hachfeld

Links:

http://www.attac-netzwerk.de/fu-berlin/
http://www.attac-netzwerk.de/wto
http://www.wto.org
GATS Vertrag unter www.wto.org/english/docs_e/legal_e/26-gats.pdf
http://gats-info.eu.int (offizielle GATS-Seite der EU)
http://www.bmwi.de (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie)
http://www.evb.ch/cm_data/Die_WTO_zu_wessen_Diensten.pdf
http://www.gatswach.org (GATS-kritisch, mit ausführlicher Linkliste)


 


 
Kirch am Eck
Predigten
Religiöse Fragen
Texte
Aktuelle Infos
Menschen in Not und Leid
IBIS
Asylarbeit
Kirchenasyl
Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung
Für Sie gelesen
Humor
Französisches Viertel
Christlich-islamischer
Dialog
Die Seite für Ausländer
Links
Chat
 Wir über uns

 

Webmaster