Das ökumenische Kirchenasyl
in Tübingen

 
Härtefallregelung

Manfred Weidmann
Rechtsanwalt

Die (Nicht-)Anwendung der Altfallregelung im Fall Güler

Die Innenministerkonferenz der Länder hat am 19. November 1999 eine Härtefallregelung für Asylbewerberfamilien mit langjährigem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland beschlossen.

Unter anderem sieht diese Regelung vor, dass die Betroffenen, unabhängig vom Ausgang ihres Asylverfahrens, ein Bleiberecht in Form einer Aufenthaltsbefugnis erhalten können, wenn sie vor einem bestimmten Stichtag – für Familien gilt der 01.07.1993 – nach Deutschland eingereist sind und sich hier integriert haben. Maßgeblich ist hier vor allem der von den Betroffenen geforderte Nachweis der „Sicherung des Lebensunterhalts aus legaler Erwerbstätigkeit“. Diese Integrationsvoraussetzungen müssen zu dem Zeitpunkt der Beschlussfassung vorgelegen haben, also am 19.11.1999.

Die Regelung ist von vielen als sehr restriktiv empfunden worden. Dies vor allem auf dem Hintergrund, dass viele der betroffenen Familien aufgrund ihres Status als Asylbewerber oder weil sie lediglich noch kurzfristige (zum Teil nur monatliche) sog. Duldungen hatten, diesen Nachweis einer Erwerbstätigkeit nicht führen konnten. In den meisten Fällen lag dies daran, dass es zwar potentielle Arbeitsstellen gab, auch Zusagen von Arbeitgebern vorgelegen haben, seitens der zuständigen Arbeitsverwaltung aber keine Arbeitserlaubnis erteilt wurde.

In dieser Situation haben eine ganze Reihe von Bundesländern, beispielsweise auch Hessen und Berlin, es für richtig gehalten, entsprechende Arbeitsplatzzusagen ausreichen zu lassen; ferner hat die Arbeitsverwaltung ihre Praxis geändert und hat den Personen, die unter diese Härtefallregelung fallen und einen Arbeitsplatz gefunden haben, Arbeitserlaubnisse erteilt und zwar aufgrund „besonderer Härte“. Einige SPD-geführte Länder, zuletzt jetzt Schleswig-Holstein, haben darüber hinaus beschlossen, dass Personen, die vom Stichtag her unter die Altfallregelung fallen, eine Aufenthaltsbefugnis für 6 Monate bekommen, um in dieser Zeit die Voraussetzungen zur „Sicherung des Lebensunterhalts aus legaler Erwerbstätigkeit“ erfüllen zu können. Die Erteilung der Aufenthaltsbefugnis führt dazu, dass die Betroffenen eine Arbeitsberechtigung bekommen, mit der sie ohne weitere Prüfung durch das Arbeitsamt eine Arbeitsstelle antreten können.

Um der besonderen Situation von Familien mit mehreren Kindern gerecht zu werden, haben diese Bundesländer – inzwischen gehört dazu auch das Land Berlin – außerdem beschlossen, dass ein ergänzender Bezug von Sozialhilfe in Höhe des fiktiven Kindergeldes der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis, also der Anwendung der Härtefallregelung, nicht entgegensteht.

Dazu muss man wissen, dass nach der bisherigen Rechtslage Ausländer, die nur eine sog. Aufenthaltsbefugnis haben, nicht zum Bezug von Kindergeld berechtigt sind, auch wenn sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind.

In Baden-Württemberg ist der erwähnte Beschluss der Innenministerkonferenz durch eine Anordnung des Innenministeriums vom 12.01.2000 umgesetzt worden. Dieser Erlass sieht keinerlei Erleichterungen, wie sie eben beschrieben worden sind, vor, im Gegenteil: Er ist noch restriktiver als der Beschluss der Innenministerkonferenz selbst. Hier in Baden-Württemberg haben Personen, die am 19.11.1999 keine Erwerbstätigkeit nachweisen konnten, keine Chance, unter die Altfallregelung zu fallen. Auch der – ergänzende – Bezug von Sozialhilfe steht der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis entgegen; es sei denn, man kann nachweisen, dass innerhalb der kommenden sechs Monate dieser Sozialhilfebezug entfallen wird; dies ist insbesondere für Familien mit mehreren Kindern unmöglich. Eine Modifizierung dieser extrem engherzigen Auslegung wurde vom Innenministerium bislang strikt abgelehnt; an einigen Punkten wurde die Regelung sogar inzwischen noch verschärft.
Bei Familie Güler ist die Situation so, dass der Sohn Ahmet in einem Lehrverhältnis stand. Nachdem im vergangenen Herbst die Duldung nicht mehr verlängert und deswegen die Arbeitserlaubnis abgelehnt wurde, musste er dieses Lehrverhältnis abbrechen. Sowohl der Vater Mustafa, wie auch die beiden Töchter Sultan und Fatma, hatten sich um Arbeitsstellen. bemüht, hatten aber in der Zeit vor November 1999 keine Arbeitserlaubnisse bekommen; nachdem der Aufenthalt nicht mehr weiter verlängert wurde, war dies ohnehin nicht mehr möglich. Nach wie vor liegen hier mehrere Zusagen von verschiedenen Arbeitgebern vor, die einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen würden; auch der Lehrherr von Ahmet wäre bereit, das Ausbildungsverhältnis fortzusetzen.

Zudem hatte die Familie auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfe verzichtet. Dies war möglich durch die Unterstützung des Sohnes Ali, der anerkannter Flüchtling und inzwischen deutscher Staatsbürger ist. Auch verschiedene Wehinger Bürger hatten zugesagt, die Familie für diese Zwischenzeit finanziell zu unterstützen. Aufgrund der Arbeitsplatzzusagen war konkret absehbar, dass diese Unterstützung nur für einen vorübergehenden Zeitraum notwendig gewesen wäre.

Eine ganz besondere Härte liegt zudem darin, dass die Mutter, Hatice Güler, schwer traumatisiert, gesundheitlich angeschlagen und behandlungsbedürftig ist.

Hier in Baden-Württemberg hat die Familie Güler nach der jetzigen Praxis keine Chance für ein Bleiberecht aufgrund der Altfallregelung. Anders, wenn die Familie in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein leben würde. Dort hätten sie eine faire Chance erhalten und hätten vermutlich inzwischen längst eine Aufenthaltsbefugnis und damit ein gesichertes Bleiberecht. Trotz verschiedenster Bemühungen, u.a. seitens der Kirchen, war und ist die Landeregierung bisher nicht bereit, ihre extrem restriktive Haltung aufzugeben.
 

gez. Manfred Weidmann
Rechtsanwalt

 

 

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